Lass mich fliegen - Meine Gedanken
“Nun steh’ ich hier und schimpfe mit Dir …”
Kennst Du das? Du hast eine Erfahrung in Deiner Kindheit gemacht, die Dich damals sehr erschüttert hat. Heute reagierst Du auf die kleinsten Anzeichen, die darauf hinweisen, dass Deinem Kind das auch passieren könnte. Du willst es davor beschützen, ähnlich schmerzhafte Erfahrungen machen zu müssen, wie Du sie gemacht hast.
Doch ist das überhaupt möglich bzw. nötig? Unter Umständen verhinderst Du mit Deinem Verhalten, dass Dein Kind seine eigenen Erfahrungen macht oder Du lenkst es unbewusst in eine ähnliche Situation, die Du eigentlich vermeiden willst.
Hier ein Beispiel um das zu verdeutlichen:
Als Kind haben sich andere Kinder über Dich lustig gemacht, weil Du beim Sprechen angefangen hast zu stottern. Jedes Mal, wenn Du vor der Klasse sprechen musstest, haben im Hintergrund die anderen Kinder getuschelt und gekichert. Diese Erfahrung hat Dich geprägt und tief in Dir ist ein Schutzinstinkt verwurzelt, der Dein Kind vor dem “Spott” der anderen bewahren möchte.
Nun bist Du bei einem Kindergeburtstag, um Dein Kind abzuholen. Auch andere Eltern sind bereits da, aber weil die Kinder noch zusammen spielen, unterhalten sich die Eltern noch ein bisschen. Du beobachtest, wie Dein Kind auf einmal von den anderen geärgert wird. Die Kinder schaukeln sich dabei hoch, sodass die Situation für Dich unerträglich wird und Du Dich entscheidest, einzugreifen. Du schimpfst mit den Kindern, die Dein Kind geärgert haben und verlässt empört mit Deinem Kind den Geburtstag.
Dies ist ein Schutzmechanismus, der bei Dir anspringt, weil Du Dein Kind vor den “hänselnden” Kindern, beschützen willst.
Im Nachhinein stellst Du jedoch fest, dass Dein Kind von den anderen Kindern auf einmal gemieden wird und auch das Verhältnis zu den Eltern, der anderen Kinder, plötzlich distanzierter geworden ist.
Was ist passiert. Die Eltern der anderen Kinder fanden Deine Reaktion übertrieben und wollen nun ihre eigenen Kinder in Schutz nehmen. Sie meinen, dass das alles bevor Du zu dem Geburtstag gekommen bist noch in Ordnung war und Dein Kind nur durch Deine Anwesenheit plötzlich empfindlicher geworden ist.
Was hättest Du wahrscheinlich getan, wenn Du die Erfahrung in der Kindheit nicht gemacht hättest?
Wahrscheinlich hättest Du festgestellt, dass Dein Kind aus der Situation geholt werden muss, da es offensichtlich erschöpft ist und sich nicht mehr adäquat selbst aus dieser Situation befreien kann. Du gehst zu Deinem Kind, nimmst es zur Seite und sagst zu ihm, dass es Zeit ist zu gehen und es sich nun verabschieden soll. Du nimmst es an die Hand, verabschiedest Dich selbst von dem Geburtstagskind und dessen Eltern und ihr geht nach Hause.
Sollte Dein Kind frustriert sein und wäre lieber noch auf dem Geburtstag geblieben, sprichst Du zu Hause noch einmal mit ihm darüber und teilst ihm mit, dass Du gemerkt hast, dass es sehr erschöpft war und Du gemerkt hast, dass es jetzt Ruhe braucht.
